Analyse

Profilbilder und die Korrektur eines Erfolgsmythos

Im Netz gut rüberzukommen ist nach meiner Erfahrung seit 2010 der Wunsch von 95% der professionell im Netz aktiven Menschen. Die Frage nach dem perfekten Profilbild ist deshalb seit den Anfängen meiner Agentinnenarbeit eine der wichtigsten. Scharf und gut ausgeleuchtet sollte es sein und damit professionellen Standards gerecht werden. Es gibt ebenfalls Pluspunkte, wenn das Gesicht vor einem ruhigen Hintergrund zu sehen ist – und zwar nur das eigene Gesicht: Für Kinder, Katzen, Lebenspartner:innen sollten andere digitale Orte als das Profilbild gewählt werden. Wichtig auch: Wer Kompetenz ausstrahlen möchte, wählt einen Bildausschnitt, der möglichst viel Kopf zeigt und wenig Körper. Studien zur Face-ism Ratio belegen, dass die „kompetente“ Zuschreibung auf die Weise steigt.

Und wie sieht es mit der Blickrichtung auf Profilbildern aus?

Im April 2010 sorgten die „Statistik Nerds“ der Dating-Plattform OkCupid mit Ihrer Analyse „The 4 Big Myths of Profile Pictures“ mit ihren interessanten Erkenntnissen für sehr viel Reaktionen – (…und ist deshalb im Netz noch gut dokumentiert, wenn auch im OkCupid-Blog schon seit längerer Zeit gelöscht, während andere Studien aus der Zeit dort noch zu finden sind.)

Vier Slides über die "4 big myths of profile pictures" von OkCupid, Teil meines republica-Vortrags von 2011 .

Genau auf diese Analyse bin ich in meinem Vortrag auf der re:publica 2011 eingegangen. Die beobachtete positive Reaktion (Slide 45, unten links, der beige Balken rechts) auf männliche Profilbilder ohne Augenkontakt und ohne Lächeln war insbesondere im Kontrast zu den „sozial erwünschten“ der Frauen bemerkenswert (deren Werte gingen in den Keller, sobald sie keinen Augenkontakt mit den Betrachtenden aufnahmen). Die ältesten Rollenklischees schienen sich in dieser Studie zu manifestieren.

Ein Linkedin-Posting Mitte Januar, in dem es um Erfolg auf der Plattform geht, obwohl klassische Tipps wie „Du musst ein Profilbild verwenden, bei dem Du offen in die Kamera blickst!“ ignoriert wurden, hat mich Anfang 2023 doch nochmals recherchieren lassen, was eigentlich aus der inzwischen 13 Jahre alten OkC-Studie geworden ist.

Und siehe da: Es gibt inzwischen eine Gegenstudie von Photofeeler, die nicht nur die Rahmenbedingungen von 2010 kritisch und berechtigt in Frage stellen (was einer der Gründe sein dürfte, warum der Beitrag bei OkCupid nicht mehr vorhanden ist) sondern gehen auch darauf ein, dass es nicht so unwahrscheinlich ist, dass erst die Ergebnisse der OkC-Studie zu den etwas seltsam anmutenden absichtlich „ausweichenden“ Männer-Profilbildern führten, die vorher kaum existierten.

Die Photofeeler-Studie von 2017 konnte die Ergebnisse von 2010 nicht reproduzieren, im Gegenteil ergaben sich überhaupt keine signifikanten Unterschiede, ob Männer ohne Augenkontakt lächeln oder nicht und selbst mit Augenkontakt ist der Abstand nur sehr gering.

Was bedeuten diese Ergebnisse für die Auswahl eines Profilbildes?

Nur aus dem Kontext ergibt sich ein optimales Profilbild! Da ist der Sprung vom Online-Dating zum Business-Profil doch auch gleich sehr viel naheliegender: In beiden Fällen geht es in der Regel um Kontakt. Kontakt entsteht durch Zuwendung, daher ist es generell auch richtig, auf einem Profilbild direkt in die Kamera zu sehen und damit den Menschen auf der anderen Seite des Bildschirms direkt anzusehen.

Es kann immer sein, dass es Sonderfälle gibt, in denen es sinnvoll ist, aus dem Bild hinaus zu sehen – Wenn ich mich nicht gerade bewerbe! Falls ich schon sehr erfolgreich unterwegs bin, und neue Kontakte von sich aus auf mich zukommen, kann ein Profilbild, auf dem ich ganz woanders hin sehe, ein Teil meiner Personal Branding Strategie sein. Was vor allem dann gut funktioniert, wenn die eigenen Inhalte regelmäßig einen Nerv treffen. Mein eigenes Logo basiert auf einem Foto, auf dem ich nur von der Seite zu sehen bin, und ist heute noch mein Profilbild bei Instagram.

Meine Empfehlung bleibt aber generell, nicht nach rechts aus dem Bild eines Businessnetworks zu sehen, da ich mich auf die Weise von meinen eigenen Inhalten distanziere. In den allermeisten Fällen ist der direkte Blick immer die bessere Wahl, um in Kontakt zu kommen – wenn das die Absicht ist, die ich auf einer Plattform verfolge.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert